übersetzt von Monika Fahrenbach-Wachendorff
1
Non havria Ulysse o qualunqu’altro mai
Piu accorto fù, da quel divino aspetto
Pien di gratie, d’honor et di rispetto
Sperato qual i sento affanni e guai.
Pur, Amor, co i begli ochi tu fatt‘ hai
Tal piaga dentro al mio innocente petto,
Di cibo et di calor gia tuo ricetto,
Che rimedio non v’e si tu nol‘ dai.
O forte dura, che mi fa esser quale
Punta d’un Scorpio, et domandar riparo
Contr‘ el velen‘ d’all‘ istesso animale.
Chieggio li sol‘ ancida questa noia,
Non estingua el desir a me si caro,
Che mancar non potra ch‘ i non mi muoia.
1
Odysseus hätte nicht, noch irgendwer
Der klüger war, von diesem Götterbild,
Das Würde, Grazie und Ernst erfüllt,
Jemals geglaubt, es quäle mich so sehr.
Amor, du hast mit deinen schönen Blicken
Tief meine unberührte Brust versehrt,
Die früher dich erwärmt und dich genährt;
So kannst nur du allein mir Rettung schicken
O hartes Los, mir ist zumut als hätte
Mich ein Skorpion gestochen, und ich bäte
Um Gegengift bei eben diesem Tier.
Ich bitt ihn: Töte nur den Uberdruß,
Erhalte dieses liebe Sehnen mir,
Weil ich sonst unausweichlich sterben muß.
2
Ô beaus yeus bruns, ô regards destournez,
Ô chaus soupirs, ô larmes espandues,
Ô noires nuits vainement attendues,
Ô jours luisans vainement retournez:
Ô tristes pleins, ô desirs obstinez,
Ô tems perdu, ô peines despendues,
Ô mile morts en mile rets tendues,
Ô pires maus contre moi destinez.
Ô ris, ô front, cheueus, bras, mains et doits :
Ô lut pleintif, viole, archet et vois :
Tant de flambeaus pour ardre une femelle!
De toy me plein, que tant de feus portant,
En tant d’endrois d’iceus mon cœur tatant,
N’en est sur toy volé quelque estincelle.
2
O braune Augen, abgewandter Blick,
O heiße Seufzer, o vergoßne Tränen,
O schwarze Nacht, dir gilt umsonst mein Sehnen,
O lichter Tag, du kehrst umsonst zurück!
O düstre Klagen, heftiges Verlangen,
O eingebüßte Zeit, verlorne Not,
O tausend Netze, tausendfacher Tod,
O böses Unheil, darin ich gefangen!
O Lachen, Stirne, Haare, Arme, Hände,
Viola, Bogen, Stimme, Lautenklang:
So viele Fackeln, die ein Weib versengen!
Dich klag ich an, du trägst all diese Brände
Überallhín, wo sie mein Herz bedrängen;
Auf dich kein Funke davon übersprang.
3
Ô longs desirs, ô esperances vaines,
Tristes soupirs et larmes coutumieres
A engendrer de moy maintes riuieres,
Dont mes deus yeus sont sources et fontaines:
Ô cruautez, ô durtez inhumaines,
Piteus regars des celestes lumieres:
Du cœur transi ô passions premieres,
Estimez-vous croitre encore mes peines?
Qu’encor Amour sur moy son arc essaie,
Que nouueaus feus me gette et nouueaus dars:
Qu’il se despite, et pis qu’il pourra face:
Car ie suis tant nauree en toutes part,
Que plus en moy une nouuelle plaie,
Pour m’empirer ne pourroit trouuer place.
3
Fruchtloses Hoffen, endloses Begehren,
Trauriges Seufzen und gewohntes Weinen!
Die Tränen könnten sich zu Strömen einen,
Die meine Augen wie zwei‘ Quellen nähren.
Erbarmungslose Härte, Grausamkeiten
Und Himmelslichter, die so kläglich scheinen!
Könnt ihr noch meine Not zu mehren meinen,
Ihr, des erstarrten Herzens erste Leiden?
Mag Amor seinen Bogen doch erproben
Und neue Pfeile schnellen, neue Brände,
Mag er es treiben wie er will und toben;
Ich bin ja überall schon so zerschunden,
Daß er nicht eine heile Stelle fände,
Um mich noch unheilvoller zu verwunden.
4
Depuis qu’Amour cruel empoisonna
Premierement de son feu ma poitrine,
Tousiours brulay de sa fureur diuine,
Qui un seul iour mon cœur n’abandonna.
Quelque trauail, dont assez me donna,
Quelque menasse et procheine ruine:
Quelque penser de mort qui tout termine,
De rien mon cœur ardent ne s’estonna.
Tant plus qu’Amour nous vient fort assaillir,
Plus il nous fait nos forces recueillir,
Et tousiours frais en ses combats fait estre:
Mais ce n’est pas qu’en rien nous fauorise,
Cil qui les Dieus et les hommes mesprise:
Mais pour plus fort contre les fors paroitre.
4
Seit Amor grausam mir, mit einem Schlag,
Die Brust vergiftet hat mit seiner Glut,
Brannte ich stets von seiner heiligen Wut,
Und sie verließ mein Herz nicht einen Tag.
Ob er mir manche Mühsal auferlegt,
Mit baldigem Verderben mich bedroht,
Mir eingab, alles endet durch den Tod,
Mein Herz in Flammen blieb ganz unbewegt.
Je heftiger uns Amor überfällt,
Nur desto mehr er unsre Kräfte stählt
Und führt uns frisch in jeden Kampf hinein;
Doch nicht, weil freundlich er uns zugeneigt,
Er, der für Gott und Mensch Verachtung zeigt
Er möchte stärker noch als Starke sein.
5
Clere Venus, qui erres par les Cieus,
Entens ma voix qui en pleins chantera,
Tant que ta face au haut du Ciel luira,
Son long travail et souci ennuieus.
Mon œil veillant s’atendrira bien mieus,
Et plus de pleurs te voyant gettera.
Mieus mon lit mol de larmes baignera,
De ses travaus voyant témoins tes yeus.
Donq des humains sont les lassez esprits
De dous repos et de sommeil espris.
I’endure mal tant que le Soleil luit:
Et quand ie suis quasi toute cassee,
Et que me suis mise en mon lit lassee,
Crier me faut mon mal toute la nuit.
5
Strahlende Venus, die am Himmel zieht,
Hör meine Stimme, welche innig singt,
Sobald dein Antlitz durch die Wolken dringt,
Von langer Not ein kummervolles Lied.
Mein waches Auge wird noch mehr gerührt,
Und stärker werden meine Tränen fließen
Und auf mein weiches Lager sich ergießen,
Wenn es die Blicke deiner Augen spürt.
Die Menschen geben ihren müden Sinn
In sanfter Ruhe nun dem Schlummer hin.
Ich gräme mich solang die Sonne wacht;
Und sind dann wie zerschlagen Geist und Glieder
Und sinke ich erschöpft aufs Lager nieder,
Beweine ich mein Leid die ganze Nacht.
6
Deus ou trois fois bienheureus le retour
De ce cler Astre, et plus heureus encore
Ce que son œil de regarder honore.
Que celle là receuroit un bon iour,
Qu’elle pourroit se vanter d’un bon tour
Qui baiseroit le plus beau don de Flore,
Le mieus sentant que iamais vid Aurore,
Et y feroit sur ses leures seiour:
C’est à moi seule à qui ce bien est du,
Pour tant de pleurs et tant de tems perdu:
Mais le voyant, tant luy feray de feste,
Tant emploiray de mes yeus le pouuoir,
Pour dessus lui plus de credit auoir,
Qu’en peu de tems feroy grande conqueste.
6
Zwei- oder dreimal selig wiederkehrt
Der helle Stern; noch größer ist das Glück
All dessen, was er ehrt mit seinem Blick.
Die Glückliche, der solch ein Tag beschert,
Wie sie die Wende ihres Schicksals priese,
Da sie die schönste Gabe F loras küßte,
Die duftendste, die je Aurora grüßte,
Und lange nicht von seinen Lippen ließe!
Nur ich allein kann solche Gunst verlangen,
Die so viel Zeit mit Weinen hingebracht;
Kommt er, wie will ich festlich ihn empfangen,
Und wie gebrauch ich meiner Augen Macht,
Daß ihn in kurzer Zeit mein Einfluß lenkt
Und mich mit einem großen Sieg beschenkt.
7
On voit mourir toute chose animee,
Lors que du corps l’ame sutile part:
Ie suis le corps, toy la meilleure part:
Ou es tu donq, ô ame bien aymee?
Ne me laissez pas si long tems pamee,
Pour me sauuer après viendrois trop tard.
Las, ne mets point ton corps en ce hazart
Rens lui sa part et moitié estimee.
Mais fais, Ami, que ne soit dangereuse
Cette rencontre et reuuë amoureuse,
L’acompagnant, non de seuerite.
Non de rigueur : mais de grace amiable,
Qui doucement me rende ta beauté,
Iadis cruelle, à present favorable.
7
Hinsterben sieht man alle Kreatur,
Sobald die Seele ihrem Leib entwich;
Du bist der bessre Teil, der Leib bin ich;
Geliebte Seele, ach, wo bist du nur?
Ohnmächtig lieg schon lange ich darnieder;
Hilfst du nicht bald, muß ich zugrunde gehn;
Laß deinen Leib nicht auf dem Spiele stehn
Und gib ihm seine teure Hälfte wieder!
Doch möge, Freund, dies liebe Stelldichein
Und Wiedersehen mir nicht schädlich sein;
Nicht Ernst und Strenge halte mir bereit;
Laß dich von Freundlichkeit und Anmut lenken,
Die deine Schönheit sanft mir wiederschenken,
Voll Güte jetzt, dereinst voll Grausamkeit.
8
Ie vis, ie meurs : ie me brule et me noye.
I’ay chaut estreme en endurant froidure:
La vie m’est et trop molle et trop dure.
I’ay grans ennuis entremeslez de ioye:
Tout à un coup ie ris et ie larmoye,
Et en plaisir maint grief tourment i’endure:
Mon bien s’en va, et à iamais il dure:
Tout en un coup ie seiche et ie verdoye.
Ainsi Amour inconstamment me meine:
Et quand ie pense avoir plus de douleur,
Sans y penser ie me treuue hors de peine.
Puis quand ie croy ma ioye estre certeine,
Et estre au haut de mon desiré heur,
Il me remet en mon premier malheur.
8
Ich brenne und ertrinke, lebe und bin tot;
Mir ist so heiß und ist so kalt zugleich;
Mein Leben ist zu hart und auch zu weich;
Und Freude mischt sich in die ärgste Not.
Ich lache und ich wein mit einem Schlag;
Und in der Lust ertrag ich schweres Leid;
Mein Wohl vergeht und widersteht der Zeit;
Ich grüne und verdorr an einem Tag.
So leitet mich der Liebe Wankelmut;
Und meine ich, mein Schmerz erwache neu,
Wird unversehens alles wieder gut.
Doch glaube ich, die Freude sei mir treu,
Ich könne schweben im ersehnten Glück,
Fall in mein erstes Unglück ich zurück.
9
Tout aussi tot que ie commence à prendre
Dens le mol lit le repos désiré,
Mon triste esprit hors de moy retiré
S’en va vers toy incontinent se rendre.
Lors m’est auis que dedens mon sein tendre
Ie tiens le bien, ou i’ay tant aspiré,
Et pour lequel i’ay si haut souspiré;
Que de sanglots ay souuent cuidé fendre.
Ô dous sommeil, ô nuit à moy heureuse!
Plaisant repos, plein de tranquilité,
Continuez toutes les nuiz mon songe:
Et si iamais ma poure ame amoureuse
Ne doit auoir de bien en vérité.
Faites au moins qu’elle en ait en mensonge.
9
Bin ich ersehntem Schlummer hingegeben
Und ruhe mich auf weichem Lager aus,
Tritt mein betrübter Geist aus mir heraus,
Zu dir nun unauflialtsam hinzustreben.
Dann glaub ich, zart an meine Brust zu halten
Das Gut, nach welchem ich so sehr verlangte,
Mit solchem Seufzen, daß mir oftmals bangte,
Ich würde von dem Schluchzen noch zerspalten.
0 sanfter Schlaf, beseligende Nacht!
Wohlige Ruhe voller Harmonie!
Mögt ihr mit meinem Traum mich immer laben!
Ist meiner liebenden und armen Seele nie
InWirklichkeit so Gutes zugedacht,
So laßt sie wenigstens dies Trugbild haben.
10
Quand i’aperçoy ton blond chef couronné
D’un laurier verd, faire un Lut si bien pleindre,
Que tu pourrois à te suiure contreindre
Arbres et rocs : quand ie te vois orné,
Et de vertus dix mile enuironné,
Au chef d’honneur plus haut que nul atteindre:
Et des plus hauts les louenges esteindre:
Lors dit mon cœur en soy passionné:
Tant de vertus qui le font estre aymé,
Qui de chacun te font estre estimé,
Ne te pourroient aussi bien faire aymer?
Et aioutant à ta vertu louable
Ce nom encor de m’estre pitoyable,
De mon amour doucement t’enflamer?
10
Seh ich dein blondes Haupt, das Lorbeer krönt,
Wenn du die Laute so zum Klagen bringst,
Daß du am Ende Baum und Felsen zwingst,
Dir nachzufolgen – seh ich dich, verschönt
Und in zehntausend Tugenden gehüllt,
Wie keinen sonst, nach höchsten Ehren fassen
Und auch der Höchsten Ruhm vor dir verblassen,
Sagt sich mein Herz, von Leidenschaft erfüllt:
Wenn so viel Tugend jeden dazu drängt,
Daß er dir Achtung und auch Liebe schenkt,
Kann sie nicht Liebe in dir selbst erwecken? –
Daß deiner Tugend noch dies Lob gebührt,
Erbarmen hättest du für mich gespürt, –
Und sanft mit meiner Liebe dich anstecken?
11
Ô dous regars, ô yeus pleins de beauté,
Petis iardins, pleins de fleurs amoureuses
Ou sont d’Amour les flesches dangereuses,
Tant à vous voir mon œil s’est arresté!
Ô cœur félon, ô rude cruauté,
Tant tu me tiens de façons rigoureuses,
Tant i’ay coulé de larmes langoureuses,
Sentant l’ardeur de mon cœur tourmenté!
Donques, mes yeus, tant de plaisir auez,
Tant de bons tours par ses yeux receuez:
Mais toy, mon cœur, plus les vois s’y complaire,
Plus tu languiz, plus en as de souci,
Or deuinez si ie suis aise aussi,
Sentant mon œil estre à mon cœur contraire.
11
O Blicke, o ihr Augen, sanft und schön,
Gärtchen, wo lauter Liebesblumen blühn;
Die Pfeile Amors lauern schon darin;
Und ganz gebannt muß euch mein Auge sehn!
O falsches Herz voll schonungsloser Härte,
Wie unerbittlich bin ich dir vereint,
Wie viele Tränen hab ich schon geweint,
Wenn sich mein Herz in seiner Glut verzehrte!
Ihr, meine Augen, mögt euch zwar erbauen,
Wenn seine Augen liebenswürdig schauen;
Doch du, mein Herz, siehst du ihr Wohlgefallen,
Wächst deine Sehnsucht, wachsen deine Qualen;
So ratet, kann mir wohl zumute sein,
Wenn sich mir Herz und Auge so entzwein.
12
Lut, compagnon de ma calamité,
De mes soupirs témoin irreprochable,
De mes ennuis controlleur veritable,
Tu as souuent avec moy lamenté:
Et tant le pleur piteus t’a molesté,
Que commençant quelque son delectable,
Tu le rendois tout soudein lamentable,
Feingnant le ton que plein auoit chanté.
Et si tu veux efforcer au contraire,
Tu te destens et si me contreins taire:
Mais me voyant tendrement soupirer,
Donnant fauueur à ma tant triste pleinte,
En mes ennuis me plaire suis contreinte,
Et dous mal douce fin espérer.
12
Laute, Gefahrtin in den Unglückstagen,
Die ich zum Zeugen meiner Seufzer machte,
Die treulich über meinem Kummer wachte,
Du stimmtest oftmals ein in meine Klagen.
Wie sehr hat dieser Jammer dich geplagt!
Auch wenn ich frohe Klänge angeschlagen,
Auf einmal ließest du sie wieder klagen
Und töntest so, als sei mein Lied verzagt.
Und möchte ich zum Gegenteil dich zwingen,
Erschlaffst du und verwehrst es mir zu singen,
Doch siehst du wie ich seufze, zärtlich-bang,
Begleitest du den traurigen Gesang;
So muß ich in der Sehnsucht mir gefallen
Und hoffen, süß zu enden süße Qualen.
13
Oh si i’estois en ce beau sein rauie
De celui là pour lequel vois mourant:
Si auec lui viure le demeurant
De mes cours iours ne m’empeschoit enuie,
Si m’acollant me disoit, chere Amie,
Contentons nous l’un l’autre, s’asseurant
Que ia tempeste, Euripe, ne Courant
Ne nous pourra desioindre en notre vie:
Si de mes bras le tenant acollé,
Comme du Lierre est l’arbre encercelé,
La mort venoit, de mon aise enuieuse:
Lors que souef il me baiseroit,
Et mon esprit sur ses leures fuiroit,
Bien ie mourrois, plus que viuante, heureuse.
13
Wär ich an diese schöne Brust entführt
Dessen, an dem schon bald ich sterben werde!
Könnt ich die kurzen Tage dieser Erde
Bei ihm sein, nicht von Mißgunst aufgespürt;
Und würde, mich umarmend, er bekennen:
Geliebte, laß uns so einander geben,
Daß selbst Euripus nie in unserm Leben,
Noch Sturm noch Flut uns voneinander trennen
Und wenn, da meine Arme ihn umfingen
Wie Efeuranken sich um Bäume schlingen,
Die Wonne neidend, mir der Tod erschien:
Dann würde er mir süßre Küsse geben,
Zu seinen Lippen hin mein Geist entfliehn –
Sterben wär gut und glücklicher als Leben!
14
Tant que mes yeus pourront larmes espandre,
À leur passé auec toy regretter;
Et qu’aus sanglots et soupirs resister
Pourra ma voix, et un peu faire entendre:
Tant que ma main pourra les cordes tendre
Du mignart Lut, pour ces graces chanter:
Tant que l’esprit se voudra contenter
De ne vouloir rien fors que toy comprendre:
Ie ne souhaitte encore point mourir.
Mais quand mes yeus ie sentiray tarir,
Ma voix cassee, et ma main impuissante,
Et mon esprit en ce mortel seiour
Ne pouuant plus montrer signe d’amante:
Priray la mort noircir mon plus cler iour.
14
Solang mein Auge Tränen noch vergießt
Und das vergangne Glück mit dir beklagt,
Und meine Stimme nicht nur seufzt und zagt
Und noch ein wenig zu Vernehmen ist,
Solange meine Hand ins Saitenspiel
Der feinen Laute greift und dich besingt,
Solang es meinen Geist Genüge dünkt,
Dich zu erfassen, und er mehr nicht will,
Möcht ich noch nicht dem Tode unterliegen.
Wenn aber meine Augen mit versiegen,
Die Hand erschlafft und meine Stimme bricht,
Und wenn mein Geist in diesem Erdenleben
Kann nicht mehr Zeichen meiner Liebe geben,
Verdunkle mir der Tod das Tageslicht.
15
Pour le retour du Soleil honorer,
Le Zéphir, l’air serein lui apareille:
Et du sommeil l’eau et la terre esueille,
Qui les gardoit l’une de murmurer
En dous coulant, l’autre de se parer
De mainte fleur de couleur nompareille.
Ia les oiseaus es arbres font merveille,
Et aus passans font l’ennui moderer:
Les Nymfes ia en mille ieus s’esbatent
Au cler de Lune, et dansans l’herbe abatent:
Veus tu Zéphir de ton heur me donner,
Et que par toy toute me renouuelle?
Fay mon Soleil deuers moy retourner,
Et tu verras s’il ne me rend plus belle.
15
Damit die Sonne herrlicher erwacht,
Weht ihr der heitre Frühlingswind entgegen;
Wasser und Erde sich von neuem regen;
Und jenes löst sich aus dem Schlaf der Nacht
In sanftem Plätschern, diese, um erneut
Mit vielen bunten Blumen sich zu schmücken.
Die Vögel auf den Bäumen rings entzücken
Die Wandernden, daß sich ihr Gram zerstreut;
Die Nymphen schon bei tausend Spielen weilen;
Im Mondschein tanzen sie die Gräser nieder.
Zephir, willst du mit mir dein Glück nicht teilen
Daß ich mich ganz erneuere durch dich?
So sende mir doch meine Sonne wieder,
Und du wirst sehen, sie verschönert mich.
16
Apres qu’un tems la gresle et le tonnerre
Ont le haut mont de Caucase batu,
Le beau iour vient, de lueur reuétu.
Quand Phebus ha son cerne fait en terre,
Et l’Ocean il regaigne à grand erre
Sa seur se montre avec son chef pointu.
Quand quelque tems le Parthe ha combatu,
Il prent la fuite et son arc il desserre.
Un tems t’ay vù et consolé pleintif,
Et defiant de mon feu peu hatif:
Mais maintenant que tu m’as embrassee,
Et fuis au point auquel tu me voulois,
Tu as ta flame en quelque eau arrosee,
Et es plus froit qu’estre ie ne soulois.
16
Wenn Hagel, Donner eine Weile lang
Über den hohen Kaukasus hingehn,
Erscheint ein neuer Tag uns, leuchtend schön
Wenn Phöbus nach dem weiten Erdengang
Eilig dem Ozean entgegenzieht,
Mit Sichelhaupt die Schwester ihm entsteigt.
Wenn sich der Parther kampfesmüde zeigt,
Entspannt er seinen Bogen und entflieht.
Mit Trost und Mitleid hab ich dich bedacht,
Als dir mein Feuer gar zu träge schien;
Doch jetzt, da ich in solchem Maß entfacht,
Wie du es haben wolltest, bis zum Glühn,
Gießt Wasser du in deine Glut hinein;
Nie pflegte ich so kalt zu dir zu sein.
17
Ie fuis la vile, et temples et tous lieus,
Esquels prenant plaisir à t’ouir pleindre,
Tu peus, et non sans force, me contreindre
De te donner ce qu’estimois le mieus.
Masques, tournois, ieus me sont ennuieus,
Et rien sans toy de beau ne me puis peindre:
Tant que tachant à ce désir esteindre,
Et un nouuel obget faire à mes yeus,
Et des pensers amoureus me distraire,
Des bois espais sui le plus solitaire:
Mais i’aperçoy, ayant erré maint tour,
Que si ie veus de toy estre deliure,
Il me conuient hors de moymesme viure.
Ou fais encor que loin sois en seiour.
17
Ich flieh die Stadt, die Tempel, alle Plätze
Wo deine Klage mein Gefallen fand,
Wo du mich zwingen kannst, trotz Widerstand,
Zu geben, was ich doch am höchsten schätze.
Doch kann ich ohne dich nichts Schönes denken;
Mich langweilt jedes Fest, Turnier und Spiel,
So, wenn ich diese Sehnsucht lindern will
Und meinen Blick auf neue Dinge lenken,
Um mein verliebtes Sinnen zu zerstreun,
Muß ich mich einsam in den Wald begeben.
Doch schweife ich umher von da nach dort,
Dann spür ich, will ich mich von dir befrein,
Kann ich nur außer mir noch weiterleben:
Denn du bist in mir auch am fernsten Ort.
18
Baise m’encor, rebaise moy et baise:
Donne m’en un de tes plus sauoureus,
Donne m’en un de tes plus amoureus:
Ie t’en rendray quatre plus chaus que braise.
Las, te pleins tu ? ça que ce mal i’apaise,
En t’en donnant dix autres doucereus.
Ainsi meslans nos baisers tant heureus
Iouissons nous l’un de l’autre à notre aise.
Lors double vie à chacun en suiura.
Chacun en soy et son ami viura.
Permets m’Amour penser quelque folie:
Tousiours suis mal, viuant discrettement
Et ne me puis donner contentement.
Si hors de moy ne fay quelque saillie.
18
Küß mich noch einmal, küß mich wieder, küß mich;
Laß mich den köstlichsten von allen trinken.
Laß mich in deinem innigsten versinken;
Viermal, so heiß wie Kohle, küß ich dich.
Ach, du beklagst dich? Dass dein Kummer schwinde,
Geb ich dir noch zehn andre, honigsüße.
Wie mischen wir so glücklich unsre Küsse,
Daß jeder seine Lust am andern finde.
So ist das Leben zweifach uns gegeben:
Im Freund und in sich selbst kann jeder leben. –
Liebster, ich denke manche Torheit aus:
Bedachtsam leben macht mir Mißvergnügen;
Ich finde dann nur Freude und Genügen,
Geh ich im Überschwang aus mir heraus.
19
Diane estant en l’espesseur d’un bois,
Apres avoir mainte beste assenee,
Prenait le frais, de Nynfes couronnee:
I’allois resuant comme fay maintefois,
Sans y penser : quand i’ouy une vois,
Qui m’apela, disant, Nymfe estonnee,
Que ne t’es tu vers Diane tournee?
Et me voyant sans arc et sans carquois,
Qu’as tu trouué, ô campagne, en ta voye,
Qui de ton arc et flesche ait fait proye?
Ie m’animay, respons ie, à un passant,
Et lui getay en vain toutes mes flesches
Et l’arc après : mais lui les ramassant
Et les tirant me fit cent et cent bresches.
19
Diana, zwischen dichten Waldesbäumen,
Nachdem so manches Tier getroffen war,
Erfrischte sich mit ihrer Nymphenschar;
Ich ging, wie oft, umher in meinen Träumen
Nichtsahnend; doch da hörte ich ganz nah,
Wie eine rief : „Verschreckte Nymphe du,
Was wendest du dich nicht Dianen zu?“
Und, da sie weder Pfeil noch Köcher sah:
„Wer ist dir, Freundin, in den Weg gekommen?
Wer hat den Pfeil, den Bogen dir genommen?“
Ich sprach: “Ein Wanderer hat mich entflammt;
Ich warf umsonst ihm meine Pfeile nach,
Den Bogen auch; er nahm sie allesamt
Und schoß auf mich und traf mich hundertfach.
20
Prédit me fut, que deuois fermement
Un iour aymer celui dont la figure
Me fut descrite : et sans autre peinture
Le reconnu quand vy premièrement:
Puis le voyant aymer fatalement,
Pitié ie pris de sa triste auenture:
Et tellement ie forçay ma nature,
Qu’autant que lui aymay ardentement.
Qui n’ust pensé qu’en faueur deuoit croitre
Ce que le Ciel et destins firent naitre?
Mais quand ie voy si nubileus aprets,
Vents si cruels et tant horrible orage:
Ie croy qu’estoient les infernaus arrets,
Qui de si loin m’ourdissoient ce naufrage.
20
Geweissagt wurde mir, ich müsse lieben,
Unwiderruflích, eines Tages den,
Dessen Gesicht mir ohne Bild beschrieben;
Und ich erkannte ihn beim ersten Sehn.
Dann, als ihm Leid durch Liebe widerfuhr,
Und mich sein trauriges Geschick betrübte,
Da zwang ich meine weibliche Natur,
Daß ich wie er so leidenschaftlich liebte.
Wer dächte nicht, es müsse gut gedeihen,
Was Himmel und das Schicksal uns verleihen?
Doch seh ich Stürme und Gewitter nahn,
Von Wolken drohend alles rings bedeckt,
Glaub ich, es war der Hölle finstrer Plan,
Die lange schon den Schiffbruch ausgeheckt.
21
Quelle grandeur rend l’homme venerable?
Quelle grosseur? quel poil? quelle couleur?
Qui est des yeux le plus emmieleur?
Qui fait plus tot une playe incurable?
Quel chant est plus à l’homme conuenable?
Qui plus penetre en chantant sa douleur?
Qui un dous lut fait encore meilleur?
Quel naturel est le plus amiable?
Ie ne voudrois le dire assurément,
Ayant Amour forcé mon iugement:
Mais ie fay bien et de tant ie m’assure,
Que tout le beau que lon pourroit choisir,
Et que tout l’art qui ayde la Nature,
Ne me sauroient acroitre mon desir.
21
Sagt, welchen Wuchs soll man am meisten schätzen?
Welch Maß und welche Farbe, welches Haar?
Wer hat das schmeichlerischste Augenpaar?
Wer kann vor allen unheilbar verletzen?
Und welches ist das Lied, das uns betört?
Das uns mit seinem Schmerz so tief durchdringt,
Daß inniger die süße Laute klingt?
Und welche Wesensart ist liebenswert?
Wahrlich, ich möchte dies nicht alles sagen,
Denn Liebe würde nur mein Urteil fällen!
Doch weiß ich ganz gewiß und ohne fragen,
Daß alles Schöne, wäre es zu wählen,
Und alle Kunst, die die Natur verschönte,
Doch meine Sehnsucht nicht vermehren könnte.
22
Luisant Soleil, que tu es bien heureus,
De voir tousiours de t’Amie la face:
Et toy, sa seur, qu’Endimion embrasse,
Tant te repais de miel amoureus.
Mars voit Venus : Mercure auentureus
De Ciel en Ciel, de lieu en lieu se glasse:
Et Iupiter remarque en mainte place
Ses premiers ans plus gays et chaleureus.
Voilà du Ciel la puissante harmonie,
Qui les esprits diuins ensemble lie:
Mais s’ils auoient ce qu’ils ayment lointein,
Leur harmonie et ordre irreuocable
Se tourneroit en erreur variable,
Et comme moy travailleroient en vain.
22
Leuchtender Sonnengott, vom Glück beschenkt
Dir ist der Freundin Antlitz zugekehrt!
Du, Schwester, die Endymion begehrt,
Wirst von der Liebe Honig reich getränkt!
Venus sieht Mars; der muntere Merkur
Ergeht von Ort zu Ort sich, himmelweit;
Oft findet Jupiter der Jugendzeit
Noch frohere und glühendere Spur.
Machtvoll des Himmels Harmonie erscheint,
Die so die Göttlichen verflicht und eint;
Doch sollte ihnen je ihr Liebstes fehlen,
Würde die stete Harmonie der Sphären
Sich wankelmütig in Verwirrung kehren;
Sie müßten, so wie ich, umsonst sich quälen.
23
Las! que me sert, que si parfaitement
Louas iadis et ma tresse doree,
Et de mes yeux la beauté comparee
À deus Soleils, dont Amour finement
Tira les trets causez de ton tourment?
Ou estes vous, pleurs de peu de duree?
Et Mort par qui deuoit estre honoree
Ta ferme amour et iteré serment?
Donques c’estoit le but de ta malice
De m’asseruir sous ombre de seruice?
Pardonne moy Ami, à cette fois,
Estant outree et de despit et d’ire:
Mais ie m’assure, quelque part que tu sois,
Qu’autant que moy tu soufres de martire.
23
Was hilft es mir, daß du so meisterlich
Gepriesen einst mein goldgeflochtnes Haar?
Und meiner Augen Schönheit dir sogar
Zwei Sonnen voller Liebespfeilen glich,
Die nach dir zielten, um dich zu versehren?
Versiegte Tränen, wo ist eure Spur?
Und wo der Tod? Er sollte deinen Schwur
Und deine feste Liebe doch verklären!
So also zwangst du mich in deinen Dienst,
Mit List, indem du mit zu dienen schienst?
Verzeihe mir, mein Freund, dies eine Mal,
Der Zorn und Kummer rissen so mich fort.
Ich weiß, wo du auch bist, an jedem Ort
Erduldest du wie ich dieselbe Qual.
24
Ne reprenez, Dames, si i’ay aymé:
Si i’ay senti mile torches ardantes,
Mile trauaus, mile douleurs mordantes:
Si en pleurant i’ay mon temps consumé,
Las que mon nom n’en soit par vous blamé.
Si i’ai failli, les peines sont presentes.
N’aigrissez point leurs pointes violentes:
Mais estimez qu’Amour, à point nommé,
Sans votre ardeur d’un Vulcan excuser,
Sans la beauté d’Adonis acuser,
Pourra, s’il veut, plus vous rendre amoureuses.
En ayant moins que moy d’ocasion,
Et plus d’estrange et forte passion.
Et gardez vous d’estre plus malheureuses.
24
Werft mir nicht vor, ihr Damen, daß ich liebe
Und tausend Fackeln in mir brennen fühle,
In tausend Nöten, tausend Schmerzen wühle
Und nur mit Weinen meine Zeit vertriebe.
Ach, möget ihr nicht meinen Namen schmähen
Wenn ich gefehlt, wie bitter büße ich!
Verschärfet nicht der Qualen argen Stich;
Bedenkt, es flößt euch Amor unversehen,
Und ohne mit Vulkanus zu erscheinen
Und mit Adonis Schönheit zu verführen,
Wenn er es will, noch größre Liebe ein,
Läßt, aus geringerm Anlaß als dem meinen,
Verwirrendere Leidenschaft euch spüren.
Und hütet euch, unglücklicher zu sein.
Louise Labé, Sonette und Elegien. Übersetzt von Monika Fahrenbach-Wachendorf. Mit einem Nachwort und Anmerkungen von Elisabeth Schulze-Witzenrath. Französisch-deutsche Ausgabe. – Tübingen : Narr, 1981, ²2001.
© Monika Fahrenbach-Wachendorff