Laudatio auf Barbara Köhler und Ulf Stolfterfoht

von Benedikt Ledebur

Price a price is not in language, it is not in custom, it is not in praise.
Einen preis preisen kommt nicht zur sprache,
es kommt nicht zur sache, kommt nicht zu lobpreis.
Stein/Köhler, Tender Buttons, S. 64–65

Gertrude Stein von einem Interviewer mit Klagen über die Unverständlichkeit ihres Stücks Four Saints in Three Acts konfrontiert (1934, auf ihrer einzigen Reise zurück nach Amerika), antwortete diesem: „… I mean by understanding enjoyment. If you go to a football game you don’t have to understand it in any way except the football way and all you have to do with Four Saints is to enjoy it in the Four Saints way.“ Wenn nicht alles, so ist damit viel zur Übersetzbarkeit ihrer Werke gesagt, denn mehr als Idee oder Bedeutung legt enjoyment – Genießen den Akzent auf das Prozeßhafte, die zeitliche Dimension, auf Verstehen als Erfahren, Spiel ist ein Hinweis darauf, daß es verbindliche Regeln gibt, deren Logik auch durch assoziative, rhythmische oder lautabhängige Folgen begründet werden kann, und die Beschränkung auf Four Saints macht deutlich, daß solche Regeln nur ein bestimmtes Stück lang Gültigkeit haben können.

Gertrude Stein hat beim Schreiben einfache, funktionale Wörter, wie sie in Gesprächen vorkommen, bevorzugt, und so ist, auch wenn man von zweckgerichteter Selektion absieht, das Glück vielleicht wahrscheinlich, daß sich das im Interview-Zitat dreimal vorkommende Wort „way“ im Titel des von Ulf Stolterfoht übersetzten Langgedichts Winning His Way wiederfindet und in diesem Zusammenhang so verstanden werden kann, daß im Ästhetischen der Unterschied zwischen der Art, wie man ein Fußballspiel genießt, und der Art, „wie man seine art gewinnt“ geringer ist, als gemeinhin angenommen wird. Doch angemessenes Genießen des Vorgeführten setzt nicht nur Kenntnis von Regeln und Kategorien voraus, sondern wie beim Spiel, das, um gewonnen zu werden, auf den ganzen Einsatz der Spieler angewiesen ist, verlangt Genießen von künstlerischen Erzeugnissen nach Einbeziehen der ganzen Persönlichkeit. „As I say the pleasure of a literature is having it all inside you. It is the one thing that one can have all inside one.“ schreibt Stein in What is English Literature, und was die Wortwahl betrifft: „This makes literature words whether you choose them whether you use them, whether they are there whether or not you use them and whether they are no longer there even when you are still going on using them. And in this way a century is a century. One century has words, another century chooses words, another century uses words and then another century using the words no longer has them. […] As I say each century has its way …

If you write the way it has already been written the way writing has already been written then you are serving mammon because you are living by something some one has already been earning or has earned. If you write as you are to be writing then you are serving as a writer god because you are not earning anything.“ In den natürlichen Sprachen stellen Grammatiken die Regeln auf, doch post factum sind sie schließlich verallgemeinernde Markierung und Auflistung der eingefahrenen Wege. Stein in How to Write: „A grammar has been called a list of what is to be done with.“ Nicht Idiosynkrasien, sondern bewußte Versuche, aus den Fahrrillen zu springen, was oft wiederholtes Anfahren und Gegenlenken verlangt, sind also Gertrude Steins Abweichungen und postulierte Abneigungen gegen bestimmte Interpunktionen, zum Beispiel Fragezeichen, und gegen bestimmte Wortarten, wie Substantive oder Namen, und ihre Bevorzugung anderer, wie Pronomen, die der Ansicht entspringt, daß nur mit dem Allgemeinsten möglich ist, etwas Besonderes zu sagen. Wenn also Barbara Köhler mit der Verbalform Tender Buttons zu Zarte knöpft verzeitlicht, geschieht das in der Art Steins, und wenn Ulf Stolterfoht nicht „seinen Weg machen“ wählt, sondern in seiner Verknüpfung die Entsprechung zum ersten Wort im Englischen das letzte im Deutschen sein läßt und trotzdem den Anfangslaut „Wi“ beibehält, folgt er Stein, die bewußtes, neuartiges Setzen und die daraus resultierenden Sätze gegen formelhafte Redewendungen in Stellung gebracht hat. Grammatik heißt für Gertrude Stein Kompositionsregeln für Wortfolgen, deren Tonalität, sprich Satzbauweisen, sich Gewohnheit und Lebensform verdankt und veränderbar ist. „Is there grammar in a title. There is grammar in a title. Thank you.“

Grammatikalische Systeme und Arten des Satzbaus lassen sich als Verhaltensmuster begreifen. „Gibt es grammatische Strukturen, mit denen Ausrichtungen des Blicks/der Blicke korrespondieren?“ fragt sich Barbara Köhler in Wittgensteins Nichte. „Es sagt nicht Ich. Sie aber sagt Ich, er sagt Ich, sie sagen Wir. Beide verwenden die gleichen Worte, aber für ihn & sie gelten im Sprachspiel unterschiedliche Regeln. […] Für beide gilt: eine andere Frau ist eine andere Frau, ein anderer Mann ist ein anderer Mann; der andere kann auch ein Abstraktum sein, die andere ist immer konkret.“ Köhlers Meditationen über sprachliches Regelwerk, die mehr als Differenz und Rollen der (grammatischen) Geschlechter thematisieren, prädestinieren sie nicht nur als SteinÜbersetzerin, sondern können hier auch als ein (voraus-)deutendes Zeichen für das Glück stehen, über eine Frau und einen Mann und mit beiden zu sprechen, die ihre Zeit der Literatur Gertrude Steins gewidmet haben. Daß sie als Übersetzende von Texten Steins voneinander wußten, belegt die 61. Ausgabe der Literaturzeitschrift Schreibheft (Oktober 2003), in der sich nicht nur Auszüge aus den jeweiligen Übersetzungen, sondern auch zwei gemeinsam übersetzte Gedichte Gertrude Steins, ABEL und ERZÄHLUNG, finden: „eine erzählung von teilen / die lassen sie aus versehn / entstehn“. In ihrer 2004 bei Suhrkamp erschienenen Übersetzung von Tender Buttons – Zarte knöpft, dankt Barbara Köhler auf der letzten Seite Ulf Stolterfoht „für diverse zweistimmig- keiten“, und im Vorwort seiner 2005 bei Urs Engeler Editor erschienen Übersetzung Winning His Waywie man seine art gewinnt, preist dann Stolterfoht Köhlers Übersetzung.

Mann mit Sacko und weißsem Hemd am Rednerpult

Laudator Benedikt Ledebur

Foto: Georg Pöhlein

Da er die übersetzten Texte hinsichtlich ihres Platzes im Werk Gertrude Steins so trefflich einander zuordnet und noch dazu die hier gestellte Aufgabe des Lobpreises übernimmt, soll der entsprechende Abschnitt zitiert sein: „Winning His Way; 1931 geschrieben, veröffentlicht posthum 1956, im sechsten Band der Yale Edition of the Unpublished Writings of Gertrude Stein, ist fast vollständig aus dem Bewußtsein der Leser verschwunden und nur noch Stein-Spezialisten ein Begriff, obwohl dieses Gedicht das fehlende Bindeglied darstellt zwischen den beiden radikalsten Texten Gertrude Steins, den Tender Buttons (Deutsch erstmals 1979; 2004 in der wunderbaren Neuübersetzung von Barbara Köhler) und den Stanzas in Meditation (1932; unübersetzt). Gemeinsam ist diesen drei Texten der Versuch, ihre Bestandteile so hoch zu organisieren, daß sie keines Verweissystems außerhalb ihrer selbst mehr bedürfen, um zu funktionieren. Untersuchungen in Selbstverkörperung und Selbsterläuterung also, und wo die Tender Buttons den Hebel vor allem unterhalb der Wortebene ansetzen, im Bereich der Phoneme und Morpheme, handeln die Stanzas oberhalb der Wörter im Syntaxgelände. Die Arbeit am Wort bleibt im wesentlichen dem hier vorliegenden Gedicht vorbehalten.“

Die hohe Organisation besteht bei Steins Texten unter anderem in kontinuierlichen, oft minimalen Variationen ihrer syntaktischen und parataktischen Konstellationen, die der oberflächlichen Wahrnehmung, die den prozedural strukturierenden Effekt ignoriert, wie redundante Wiederholungen vorkommen können; der Rede vom vollständigen Kappen der semantischen Bindungen haftet angesichts sprachlicher Konditionierungen immer etwas von einer literarischen Utopie an, doch sind es genau diese Bindungen nach denen sich gute Übersetzung – als Form im Sinne Walter Benjamins – nicht richten darf, was beim Übersetzen von Texten Steins, die von vornherein darauf angelegt sind, solche Bindungen zu stören und zu lösen, sowohl Erleichterung wie Gefahr bedeutet – just a word und mot juste –, unabhängig von den speziellen Schwierigkeiten, die im Deutschen entstehen, wenn z. B. Beugungen Wortambiguitäten zur Eindeutigkeit zwingen.

Mit einer Variation eines Aufsatztitels Heinrich von Kleists könnte man Steins Schreibmethode, die das Neuschreiben nachträglichem Korrigieren, Einfügen und Ausstreichen vorzog, allmähliches Verfertigen der Gedanken beim Schreiben nennen. „The few who make writing as it is made.“ (Composition as Explanation) Es geht ihr nicht um das Nachdenken über oder um Belehrung, sondern um das Darstellen des lebendigen Gedankens selbst. Daß das Kleist’sche Reden durch Schreiben ersetzt ist, hat für sie einen Grund: „Talking is not thinking or feeling any more, it used to be but it is not now but writing is …“ In How to Write entwirft Stein die Auffassung vom Absatz, der Fühlen repräsentiere, während der Satz die nicht emotionale Seite des Denkens darstelle. In ihrem Hauptwerk, dem tausendseitigen The Making of Americans, das den Zeitraum von Generationen durchmessen will, experimentiert Stein mit Sätzen und Absätzen, die sich über Seiten erstrecken, oder sie zerhackt Sätze wie in Winning His Way, immer mit dem Ziel, die Momente des Denkens und Fühlens in Balance zu bringen und syntaktisch modulierend in ein continuous present zu überführen, dessen Begriff sie sich aus den kognitiven Theorien ihres Lehrers William James angeeignet hatte, und das sie als Schreibtechnik mit den auf Zelluloidstreifen festgehaltenen, sich kontinuierlich verändernden Kamerabildern der aufkommenden Filmkunst verglichen hat. „Continuous present is one thing and beginning again and again is another thing. Theses are both things. And then there is using everything.“ (Composition as Explanation)

Nicht Beschreibung, Deskription, sondern Darstellung, Inskription sollen für Stein das Leben in Gliederungen vergegenwärtigen. Im Portrait der Flamencotänzerin Susie Asado sind die Worte „swéet swéet swéet swéet swéet tea / Súsie Asádo“ vor allem Träger des Rhythmus, der unter der Oberfläche des Tee-Einschenkens den Takten des Tanzes nachstellt. Sprachliche Referenz soll hier nichts Einheitliches bezeichnen, sondern Spannung zu dem in referenzloser Struktur Dargestellten erzeugen. Steins Worte suchen in den Portraits, die sie von Personen und in Tender Buttons von Objects, Food und Rooms herstellt, die Abstraktion, den direkten, metaphernfreien Ansatz, da sich die Komplexität des Dargestellten in Laut, Rhythmus und Schriftbild als sprachmaterielle Muster niederschlagen soll, sie suchen Abstraktion also nicht, um ihren Gegenstand zu verlieren und sich selbst zu feiern, sondern weil sie die – auch zeitliche – Substanz ihres Gegenstands in der Multiplikation der Wahrnehmungsmomente gewinnen wollen. „It is understood by this time that everything is the same except composition and time, composition and the time of the composition and the time in the composition.“ (Composition as Explanation) Abstraktion setzt sich bei Stein durch mutationsreiche Konkretheit von flüssigem Stil und rhetorischen Begriffsfiguren ab. In einem früheren Wortportrait If I told him (1923) ihres Portraitisten Picasso kann der Name Napoleon als für den Ruhm stehend verstanden werden: „I judge judge. / As a resemblance to him. / Who comes first. Napoleon the first“, Winning His Way verzichtet beim Thematisieren auf jede noch so minimale rhetorische Verzögerung, und bringt ganz unverschämt und vor allem im eigenen Erleben reflektiert Ruhm und Freundschaft ständig direkt zur Sprache.

Auch wenn unterschiedliche Macharten und Regeln bzw. Regelverstöße nach unterschiedlichen Übersetzungsmethoden verlangen, lassen sich in den Übersetzungen Köhlers und Stolterfohts Unterschiede im Vorgehen genauso entdecken wie Gemeinsamkeiten. Das Spiel mit Worttrennungen, die einen Hintersinn (und die Ebene der Morpheme) ins Spiel bringen, läßt sich naturgemäß in beiden Übersetzungen finden, bei Köhler etwa, wenn „not accomplishing“ sich zu kontradiktorischer Stofflichkeit verdinglicht: „Und dann das entfalten das nicht voll enden war“, was nicht voll Enden ist, könnte – am Webstuhl oder bei etwas, das nur ein Ende haben darf – vollendet sein; bei Stolterfoht wird z. B., begünstigt durch den abundanten Einsatz von Punkten, beim Übersetzen von „In. Addition.“ im Deutschen durch Weglassen einer Silbe und alliterativ angereichert ein grammatikalischer Zusatz ergattert: „ruhm ist. was sie. hinterlassen. zuzüglich. zu. satz.“

Der Zweifel an der auktorialen Absicht, der Ferdinand de Saussure plagte auf seiner Suche nach Hypogrammen bei klassischen Autoren, nach Wortgrenzen überschreitenden Wörtern unter den Wortfolgen, stellt sich auch bei der genauen Lektüre von Tender Buttons ein, und kann einerseits als wirkungspoetisch beabsichtigtes Indiz genommen werden für die Behauptung Gertrude Steins, die moderne amerikanische Literatur sei jener verschlüsselnden der elisabethanischen Renaissance näher als der englischen Literatur des neunzehnten Jahrhunderts, andererseits kann die hypogrammatische Qualität des Textes als Steins Mittel begriffen werden, zeitliche Phasenverschiebungen und gleichzeitige räumliche Aspekte auch in Literatur herzustellen, wie sie Gegenstände in kubistischen Stilleben oder die Nackte, eine Stiege heruntersteigend, in Marcel Duchamps berühmten Bild erfahren. Eine für ihren lautlichen Subtext berühmte Stelle aus Tender Buttons, von Klaus Reichert schon in der Nachbemerkung zur ersten Übersetzung analysiert, ist „This Is This Dress, Aider“, was auch als „This is distress, Ada“ gelesen werden kann (Ada ist Gertrude Steins Kosename für ihre Lebensgefährtin Alice B. Toklas), wo die Worte ein erotisches Spiel verlautlichen: „Aider, why aider why whow, whow stop touch, aider / whow, aider stop the muncher, muncher, munchers.“ Köhler: „Dies ist das Kleid, Helfer. / Helfer, wieso helf er wie so wie wer, wie wär aufhörn, helf er hör er auf das schmatzen, schmatzen schmatzer.“ Durch Worttrennung wird in der Übersetzung das Pronomen er bestimmend und in „hör er auf“ zur Adresse zweideutiger Anweisung.

Anspielungen auf Nahrung, Einrichtung, Kleidung und Liebesrituale sind in Tender Buttons ineinander verwebt. Für die Güte der Übersetzung Barbara Köhlers spricht die Bescheidenheit, mit der sie im reflexionstiefen Nachwort MIT EIGENEN WORTEN betont, nur bestimmte Aspekte oder Verknüpfungen des Textes hervorgehoben zu haben: „die zeitform dieser texte ist präsens, nicht perfekt. Vollenden läßt sich hier nichts, und das soll keine entschuldigung sein, eher – ein anfallsweise desperater – lobpreis eines lebendigen textes, der immer neue, eigne sichten zu öffnen vermag. Da ließe sich z. B. eine übersetzung unternehmen, die den blickwinkel hin auf sexuelle konnotationen stärker betont (aber – covering – anzüglich eher als enthüllend), oder/und eine, die Steins sprachartistik mehr würdigt, als mir das möglich ist …“ Daß sie mit der letzten Feststellung in ihrer Bescheidenheit zu weit geht, läßt sich an Köhlers Übersetzung leicht zeigen, z. B. wenn sie „It certainly showed no obligation and perhaps if borrowing is not natural there is some use in giving.“ übersetzt mit: „Gewiss bewies das keine verpflicht und vielleicht falls borgen nicht angeborn ist ergibt geben einen sinn.“ Wie „rat“ zu „verrat“ werden kann (traduttore – traditore!) wird hier „pflicht“ zu „verpflicht“, doch läßt sich diese Neuschöpfung gemeinsam mit dem folgenden Bindewort „verpflicht“ und immer noch als „verpflichtung“ hören, während „angeborn“ den Großteil seiner Buchstaben von „borgen“ borgt. Dieses Spiel der Zeichen setzt sich in der darauf folgenden Übersetzung von A SUBSTANCE IN A CUSHION – EIN GEHALTVOLLES KISSEN fort: „The change of color is likely and a difference a very little difference is prepared.“ – „Changieren der farbe ist wahrschein und unterschiedlicht ein klitzeklein unterscheid steht bereit.“ Das verkürzte „wahrschein“ wird im dem „unterschied“ angehängten „licht“ fortgeführt, das zugleich den kleinen Unterschied zu „unterscheid“ markiert, dem wie dem „verpflicht“ die Silbe „ung“ fehlt.

Auch wenn Tender Buttons mehr als Winning His Way zum sinnstiftenden Verschieben von Silben und Buchstaben einlädt, ist die Sensibilisierung für diese Ebene in der Übersetzung Stolterfohts sehr hoch, wird das generative Potential von Zufügen und Weglassen ständig sichtbar, und setzt sich über Sprach- wie Semgrenzen hinweg, wenn z. B. „Poetry. To be fame. Or. May. They. Make. A mistake.“ mit „dichtung. zum ruhme. erhebt. oder. machen. sie. möglicherweise. mist.“ übersetzt wird, vom „mis-take“ also „mist“ erhalten bleibt. Doch Sinnverschiebungen innerhalb vorhandener latenter Mehrdeutigkeiten sind mindestens so feinstufig möglich durch die Wirkung – man muß sie nicht semantisch nennen – von Worten auf Worte: „And he. Hoped. To contain. In gathering. / Wednesday. As. a. Syllable.“ wird zu „… und er. hoffte. sich des häu-/ fens. zu enthalten mittwoch. als eine silbe. …“ „Contain“ im Sinne von „beinhalten“, das durch „gathering“ im Sinne von „sammeln“ oder „auflesen“ gestützt wird, erscheint im Deutschen durch Genitiv und Zufügen des „sich“ im in ihm enthaltenen asketischen Widersinn. Die Übersetzung nimmt damit vielleicht auch Bezug auf bzw. Distanz zu dem „ruhm“ – „fame“, der im vorhergehenden Vers wieder einmal zur Sprache gekommen ist.

Für die Inverse, die Umkehrung von Wortstellungen, die bei Stolterfoht schon in der Übersetzung des Titels festgestellt wurde, und die als chiastische Spiegelung gleichsam eine Verbildlichung des Übersetzens selbst darstellt, findet sich bei Köhler ein besonders schönes kontrapunktisches Beispiel, da sie mit der Wortstellung zugleich im Wortsinn den körperlichen Sinn wechselt und somit zumindest im Zusammendenken von Original und Übersetzung eine begriffliche Synästhesie herstellt: „This does not mean the same as disappearance.“ – „Das gleiche wie verduften heißt das nicht.“ Als zusätzlicher Sinn oder Draufgabe des Übersetzens kann, bleibt das Original im Ohr, ja jede Abweichung verstanden werden, und so wie zwischen Sinnhaftigkeiten bedeutender bzw. reflexiver, sich selbst verkörpernder Texte immer auch Hinweise zu ihrer Übersetzung zu finden sind, steckt in den Abweichungen bedeutender Übersetzungen oft ein Selbstkommentar.

In Winning His Way geschieht dieser Bezug auf das Übersetzen ganz explizit: „They. Will. Be translated. We. Will be. Famous. / The part in which they joined.“ – „… sie / werden. übersetzt. wir. werden. berühmt sein. aspekt der sie verbindet. …“ In Stolterfohts Übersetzung kommt das Übersetzen, das im Englischen noch im Futur steht, gemäß des tatsächlichen Geschehens im Präsens zu stehen, während „berühmt sein“ auch im Deutschen im Futur bleibt, was, nehmen wir an, dass Stein & Co schon berühmt sind, den Zeiger des „wir“ auf eine andere, gegenwärtige Gesellschaft umlegt, deren Berühmtheit im Kommen ist. Mit nur einem zusätzlichen Wort entsteht ein ehrlicher Kommentar zu den materialen Zwängen, die sich den Unterschieden der kontingenten Wortlaute verdanken, in Stolterfohts Übersetzung von: „But they may believe. A rhyme. With. Achieve.“ Weil am Sinn von „believe“ und am Reim festgehalten wird, lautet der Vers im Deutschen: „… sie aber mögen glauben. mühsam gereimt. auf. / verschrauben. …“

Die eingefleischten Gewohnheiten des gedankenlosen Sprachgebrauchs lassen in jeder natürlichen Sprache die Kontingenz der Lautfolgen und ihrer lexikalischen Indices vergessen und spiegeln uns in automatischen Sätzen klare Aussagen vor. In Tender Buttons heißt es: „What is the custom, the custom is the center.“ – Barbara Köhler: „Was ist denn sitte, die sitte bildet die mitte.“ Auf das zu achten, was die Zeichen tun, befreit von den in ein unbewußtes Zentrum verlegten Zwängen und Schemata genauso wie der Vergleich der jeweiligen sprachlich-sinnlichen Zufälligkeiten beim Übersetzen. Man muß also nicht Walter Benjamins Messianismus teilen, um einzusehen, daß sich beim Übersetzen die Sprachen zu einem höheren Sprachbewußtsein vereinen können: „Ist jene letzte Wesenheit, die da die reine Sprache selbst ist, in den Sprachen nur an Sprachliches und dessen Wandlungen gebunden, so ist sie in Gebilden behaftet mit dem schweren und fremden Sinn. Von diesem sie zu entbinden, das Symbolisierende zum Symbolisierten selbst zu machen, die reine Sprache gestaltet der Sprachbewegung zurückzugewinnen, ist das gewaltige und einzige Vermögen der Übersetzung.“

Während ihre Textwahl Barbara Köhler tendenziell in höherem Maße dazu bringt, diese Bewegung in den kleinsten sinntragenden Einheiten zu verfolgen und auszunützen, verlangt die hohe semantische Reflexivität in den rhythmisierenden Wiederholungen von Winning his Way, den Worten gegenüber dem Satz zur Sinnbewegung zu verhelfen, und sich somit an das zu halten, was Benjamin in Die Aufgabe des Übersetzers mit einem schönen Bild als den Hauptansatzpunkt des Übersetzens sieht: „Vielmehr ist eben das die Bedeutung der Treue, welche durch Wörtlichkeit verbürgt wird, daß die große Sehnsucht nach Sprachergänzung aus dem Werke spreche. […] Das vermag vor allem die Wörtlichkeit in der Übertragung der Syntax und gerade sie erweist das Wort, nicht den Satz als das Urelement des Übersetzers. Denn der Satz ist die Mauer vor der Sprache des Originals, Wörtlichkeit die Arkade.“

Nicht nur durch sein syntaktisches Erscheinungsbild, die eigenwillige Durchbrechung der Sätze durch wörtlich zu verstehende Interpunktion, ist das von Stolterfoht übersetzte Langgedicht Steins geradezu ein Präzedenzfall für diesen Ansatz, auch mit seinem Thema – „poetry. and fame.“ – postuliert es, nimmt man Benjamins Begriff von Ruhm ernst, das, was seine Folgen sein werden, inklusive seines zukünftigen Übersetztwerdens, und macht sich damit sozusagen jeden Lobpreis seiner gelungenen Übersetzung zu eigen: „Die Geschichte der großen Kunstwerke kennt ihre Deszendenz aus den Quellen, ihre Gestaltung im Zeitalter des Künstlers und die Periode ihres grundsätzlich ewigen Fortlebens bei den nachfolgenden Generationen. Diese heißt, wo es zutage tritt, Ruhm. Übersetzungen, die mehr als Vermittlungen sind, entstehen, wenn im Fortleben ein Werk das Zeitalter seines Ruhmes erreicht hat.“ Einseitiges Vermitteln ist die eine Verlockung, der Übersetzen verfallen kann, die andere ist verständnislose, also auch genußlose Nachahmung, vor der Gertrude Stein selbst in Poetry and Grammar warnt: „Sprache als etwas Wirkliches ist nicht Nachahmung weder von Klängen noch von Farben noch von Emotionen sie ist eine geistige Wiedererschaffung und darüber ist kein Zweifel möglich und sie wird immer fortfahren das zu sein so lange die Menschheit irgend etwas ist.“ Daß sie keiner dieser Verlockungen des ruhmlosen Mammons verfallen sind, sondern durch geistige Wiedererschaffung vom Fortleben der Texte Gertrude Steins Zeugnis geben, ist das, was die Übersetzungen Barbara Köhlers und Ulf Stolterfohts so lobenswert macht.