aus dem Italienischen
von Franz Josef Czernin
Francesco Petrarca – Canzoniere I
Voi ch’ascoltate in rime sparse il suono
di quei sospiri ond’io nudriva ‚l core
in sul mio primo giovenile errore,
quand’era in parte altr’uom da quel, ch’i‘ sono;
del vario stile in ch’io piango e ragiono
fra le vane speranze, e ‚l van dolore;
ove sia chi per prova intenda amore,
spero trovar pietà, nonche perdono.
Ma ben veggio or sì come al popol tutto
favola fui gran tempo, onde sovente
di me medesmo meco mi vergogno;
e del mio vaneggiar vergogna à ‚l frutto,
e ‚l pentersi, e ‚l conoscer chiaramente
che quanto piace al mondo è breve sogno.
August Wilhelm Schlegel
Ihr, die ihr hört in manch zerstreuter Zeile
Der Seufzer Ton, die mir das Herz genähret,
So lang‘ der erste Jugendwahn gewähret,
Da ich ein andrer war wie jetzt zum Teile:
Von jedem, der erprobt der Liebe Pfeile,
Hoff‘ ich, wenn ihm manch wechselnd Blatt erkläret,
Wie eitles Leid und Hoffen mich verzehret,
Wird nicht Verzeihn bloß, Mitleid mir zuteile.
Wohl seh‘ ich jetzt, wie ich zu langen Zeiten
Der Menschen Fabel war, und muß entbrennen
Vor Scham, wenn ich mich mahn‘ an mein Versäumen.
Und Scham ist nun die Frucht der Eitelkeiten,
Und büßendes Bereun, und klar Erkennen,
Daß, was der Welt gefällt, ein kurzes Träumen.
Franz Josef Czernin – Variation 1
so mich vernehmt, zerstreuter blicke, zeilen,
da kläglich laut um sinn mir selbst verscherzt,
was überschwänglich, allzu heiss beherzt,
ging mir verlustig, in verschossnen pfeilen,
ob euch auch gleich? kennt dies verwunden, eilen,
rasch leere seiten wechseln, kaum verschmerzt,
schön war gefärbt, zu bunt, was jetzt anschwärzt:
ob dies uns zu einander neigt, mit euch zu teilen?
beliebig muss mich, leibhaft nehmen wahr,
wem zu gefallen, lose in der rede stehe;
wie bloss mich stelle, allen anscheins bar:
vergriffen fast, so wundernd mich versehe,
verhöre auch, dass ganz uns recht geschehe:
wach sind wir jetzt, wem kalt gemacht, und klar?
Franz Josef Czernin – Variation 2
in der zerstreuung zwischen deinem blick
und welchem sinn, ob uns dies treffen lässt,
da fremd mir, fern, ein fast versunknes stück
klaglautend hielt kein wort mehr, nichts mehr fest,
schweigsam bestürzt ringsum; wann mein gesicht,
was längst verlustig ging, verlorn, vertan,
in deinem aug uns zeigt, aufs neue licht,
weither in hohem bogen pfeilschnell bahn
bis in dies blut spruchreif erhellt; leibhaft
uns nehmen wahr, die wunde leidlich klafft
aufs neu im bild, doch weit beherzt ersehn.
wie gliedernd reich, redselig sich verschafft
der ort, geflügelt wirksam da zu stehn,
mit einem mal verschmerzt, verwundert schön.
Franz Josef Czernin – Variation 3
verbuchte pfeile fern, jetzt narben, striche
euch eingefleischt; noch im verblassen drin verschlungen,
umgeisternd welchen stachel, stab: die stiche,
einst schwer beherzt, verstrickt drin, halb misslungen;
verwirrte fäden, fast verwirkt – wie all das dringliche,
verbleicht, ist ausgemustert, längst verblichner bogen;
wo schmerzt der ort, der wiederbringliche,
dass wund sich trifft, was heftig angezogen
einander sehr. da es heraus sich schält,
nein, uns so blosstellt, tot-, wir es anlegen
darauf, – geflügelt wort, im kern gewählt:
in aller augen unbewaffnet, nackt, erwägen
gewonnen salz: wie sehr aufs korn, was fehlt,
uns nimmt dies blatt, vom mund: ob uns aufs neue regen?
Franz Josef Czernin: Drei Variationen. In: Neue Rundschau 115 (2004), H. 2, S. 49-53.
© Franz Josef Czernin